Urlaubsauszahlung bei Vertragsbeendigung auch bei andauernder Arbeitsunfähigkeit
Wichtige Änderung der BAG- Rechtsprechung !
Der neunte Senat des Bundesarbeitsgerichts hat vor dem Hintergrund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes im Januar 2009 seine Rechtsprechung zur Urlaubsabgeltung bei
krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit mit Urteil vom 24.03.2009 (AZ: 9 AZR 983/07) geändert.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 7 Abs. 3 BUrlG muss der Urlaub im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Eine Übertragung von „Resturlaub“ auf das Folgejahr kennt das Gesetz nur, wenn dies
durch dringende betriebliche Gründe, z.B. durch die Auftragslage, oder durch Gründe in der Person des Arbeitnehmers, insbesondere Krankheit, begründet ist. Dann muss der Urlaub bis spätestens zum
31.03. des Folgejahres (Übertragungszeitraum) gewährt werden. Eine Urlaubsabgeltung, also eine „Urlaubsauszahlung“, sieht das Gesetz nur für den Fall vor, dass der Urlaub wegen Beendigung des
Arbeitsverhältnisses nicht mehr gewährt werden kann (§ 7 Abs. 4 BUrlG).
Das Bundesarbeitsgericht knüpfte die Urlaubsabgeltung bisher jedoch an die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruches: der Urlaubsanspruch musste nach dem Ausscheiden des Arbeitnehmers bis zum
Jahresende bzw. bis zum Ende des Übertragungszeitraumes erfüllbar sein. Diese Voraussetzung fehlte, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Zeitraumes, in dem Urlaub hätte gewährt werden müssen,
andauernd arbeitsunfähig krank war. Schied der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis aus und war er über den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitverhältnisses bis zum Ende des Urlaubsjahres bzw.
des Übertragungszeitraumes arbeitsunfähig krank, erlosch auch der Abgeltungsanspruch. Diese Auffassung hat das Bundesarbeitsgericht nunmehr aufgegeben.
Im vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall war die Klägerin von August 2005 bis 31. Januar 2007 als Erzieherin für den beklagten Verein tätig. Sie erlitt im Juni 2006 einen Schlaganfall und
war vom 2. Juni 2006 über das Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus zumindest bis August 2007 durchgehend arbeitsunfähig. Die Klägerin verlangte mit ihrer Klage u.a. Abgeltung der gesetzlichen
Urlaubsansprüche aus den Jahren 2005 und 2006. Das Bundesarbeitsgericht urteile u.a., dass die Klägerin - obwohl ihr Urlaubsanspruch für das Jahr 2006 zum 31.03.2007 erloschen war - vor dem
Hintergrund der Vertragsbeendigung dennoch und trotz der andauernden Erkrankung, eine Abgeltung des gesamten nicht genommenen gesetzlichen Urlaubanspruches verlangen könne.
Fazit und Konsequenzen: gesetzliche Urlaubsabgeltungsansprüche, die bei Vertragsbeendigung entstehen, erlöschen nicht,
wenn Arbeitnehmer bis zum Ende des Urlaubsjahres und/oder des Übertragungszeitraums erkrankt und deswegen arbeitsunfähig sind. Für den Arbeitgeber hat dies wohl erhebliche Konsequenzen, er muss
sich auf Anhäufungen von Urlaubsabgeltungsansprüchen gefasst machen. Bei einem Arbeitnehmer der für mehrere Jahre erkrankt und deswegen seinen Urlaub nicht nehmen kann, dürften sich die Ansprüche
summieren. Der Arbeitnehmer kann – bei konsequenter Anwendung der neuen Rechtsprechung – im Falle seines Ausscheidens eine Abgeltung für den gesamten aufgelaufenen Urlaub fordern. Hierauf müssen
sich Arbeitgeber zukünftig, u.a. mit Rückstellungen, einstellen. Auch für die Kündigungspraxis sind Auswirkungen zu erwarten. War eine krankheitsbedingte Kündigung für Arbeitgeber wegen
erheblicher Beweisschwierigkeiten nur bedingt zu empfehlen, könnte die neue Rechtsprechung durch das neu hinzugetretene finanzielle Risiko Arbeitgeber in ihren Kündigungsentscheidungen
beeinflussen.
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